Dienstag 23. April 2002, Diverses konzert: Nuschelnd und krächzend
Bob Dylans Stimme fasziniert
noch immer
Nach zweieinhalb Stunden und 20 Songs verbeugte er sich
stumm und ging.
von Vincenzo Capodici und petra stöhr
zürich. Am Konzert vom Sonntagabend im Hallenstadion
präsentierte der bald 61-Jährige einen Querschnitt durch sein Schaffen,
das Country, Rock 'n' Roll, Swing, Folk und Blues umfasst. Stupend ist
sein Gitarrenspiel. Aber er nuschelt, näselt und krächzt, dass einem Angst
und Bange wird - wie eine «Nebelkrähe», so ein Fan.
Dylan erstaunt immer
wieder, im Guten wie im Schlechten. Doch Kenner wissen: Das Wippen der
Knie zeigt, dass er gut gelaunt ist an diesem Abend. Die Countrystücke zu
Konzertbeginn erinnern an den Wilden Westen - unter ihnen der süsslich mit
Mandoline vorgetragene Klassiker «The Times They Are
A-Changin'».
Gitarrenspiel beeindruckt
Die 8000 Fans nehmen die ersten Songs mit zwar
warmem, aber doch verhaltenem Applaus zur Kenntnis. Mit dem fünften Song
«Solid Rock» gewinnt das Konzert an Tempo und Kraft: Das Publikum zeigt
sich begeistert darüber, dass der Sound rockiger und bluesiger wird.
Die Musiker, die Gitarristen Charlie Sexton und Larry Campbell, Bassist Tony Garnier und Drummer David Kemper, kommen zunehmend zur Geltung, insbesondere das Gitarrenspiel beeindruckt durch Improvisation und Präzision. Dylan und Band gelingt es vor allen bei akustischen Stücken, psychedelische Stimmungen zu schaffen, die entfernt an die einstige Kultgruppe Greatful Dead erinnern. Aus dem jüngsten, hoch gelobten Album «Love And Theft» spielt Dylan lediglich drei Stücke, darunter das Rockabilly-artige «Summer Days». Ansonsten liefert das Quintett weitgehend Lieder aus den sechziger Jahren. Fünf Zugaben
Nach dem bluesigen Stück «Rainy Day Women»
verabschiedet sich Dylan von der Bühne. Nach
minutenlangem Klatschen und heftigem Stampfen im Publikum kehrt der grosse
Meister für fünf Zugaben zurück. Darunter sind auch Klassiker, die bei
einem richtigen Dylan-Konzert einfach nicht
fehlen dürfen.
Dabei zeigt Dylan ein weiteres Mal, wie er aus altem Material Neues erschaffen kann. Die akustische Version von «Blowin' In The Wind» kommt derart schrill daher, dass das Lied kaum wieder zu erkennen ist. Solche Versionen können mitunter zwar irritieren; für echte «Dylanologen» hingegen sind sie aber erst recht ein Beweis für die schier unerschöpfliche Kunst des grossen Singers und Songwriters. Kein Mann der grossen Worte
Dylan gilt zwar als
Geschichtenerzähler, ein Mann der grossen Worte ist der als Robert Allen
Zimmerman geborene New Yorker aber nicht. Nicht ein «Hello» bekommen die
Fans zu hören. Nach jedem Lied wird es dunkel auf der Bühne, bis die
ersten Takte des nächsten Songs ertönen. Ebenso verabschieden sich die
fünf Männer: mit einem stummen Verbeugen. Bob Dylan war in Zürich. (sda) |
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