Bob Dylan im Hallenstadion: kein historischer
Abend
Doch, es gab sie auch diesmal: die magischen
Momente, um derentwillen man Bob Dylans Konzerte Mal um Mal
besucht und sie trotz mancherlei Unbill reich beschenkt
verlässt. Aber an diesem Abend im fast voll besetzten,
allerdings auch bestuhlten Hallenstadion musste man sich das
Glück besonders hart verdienen. Der Meister begann, begleitet
von seiner erprobten Tourband, das gut zweistündige
Überraschungsprogramm wacklig: Auf den Traditional «Wait For
The Light To Shine» folgten ein zerfahrenes «The Times They
Are A-Changin'» und ein verwaschenes «It's Alright, Ma»: beide
am Rand des Absturzes. Es war - wie auch später noch etliche
Male - nicht klar, was Unwille war, was Unvermögen, was
Selbstparodie. Eine getragene Country-Version von «One Too
Many Mornings», der drängende Gospel «Solid Rock» und ein
munter federndes «Tonight I'll Be Staying Here With You»
gelangen besser. Nun gewann das Konzert an Fahrt und Tiefgang:
In «High Water», dem apokalyptischen Song aus «Love And
Theft», sowie einem in Tempo und Phrasierung mit Anstand
bewältigten «Subterranean Homesick Blues» sprang der Funke
über. Das zweite akustische Set mit dem hübschen «Mama, You
Been On My Mind», einem fürchterlich vergeigten «A Hard Rain's
A-Gonna Fall» und einer zerdehnten Version von «Tangled Up In
Blue» brachte einen erneuten Spannungsabfall, der jedoch mit
magistralen Interpretationen von «Summer Days», «Not Dark Yet»
und «Cold Irons Bound» noch einmal aufgefangen werden konnte.
Dabei blieb es: Auf ein schleppendes «Rainy Day Women» folgten
fünf mehrheitlich öde Zugaben, darunter ein eminent
grausliches «Forever Young». Nur die rockige Version von «Man
Of Constant Sorrow» ragte aus der Routine heraus. Dylan
spielte selbst für seine Verhältnisse fahrig: Verpasste
Einsätze, verschluckte Zeilen, prekäre Schlüsse waren eher die
Regel als die Ausnahme. Das kennt man zwar, so wie man die
quälenden Soloeinlagen des Chefs kennt: Sie kommen nun einmal
nicht über Buchstabierübungen hinaus. Als nachgerade albern
erwies sich zudem Dylans Marotte, in etlichen Liedern Vers um
Vers mit einem Oktavsprung zu beenden. Grund genug zum
Missvergnügen also - wären da nicht die erwähnten Momente
gewesen, die Dylan auch an Abenden wie diesem zur
Ausnahmeerscheinung machen. Wer sonst schreibt einen Song wie
«High Water» und interpretiert ihn so überzeugend als
Untergangsmetapher von Brueghel'scher Gewalt?