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Bob
Dylan ist der Meister der Verfremdung eigener Hits.
dpa-Bild | |
WAZ Oberhausen. An manchen Tagen zieht es Bob
Dylan vor, auf seine berühmtesten Songs weitgehend zu verzichten.
Das Konzert in der Arena Oberhausen, das einzige in
Nordrhein-Westfalen, fällt auf solch einen Tag.
Immerhin hat er, bis zur Kenntlichkeit
verfremdet, "Don´t think twice" dabei und auch, mäßig
identifizierbar, "Masters of War". Sollte sich sonst noch der eine
oder andere Klassiker eingeschlichen haben, man merkt es nicht. Weil
über harmonische und rhythmische Variationen hinaus die vertrauten
Schlüsselzeilen fehlen; oder weil drei, vier Lieder zu einem
einzigen zu verschmelzen scheinen. Das wäre jene Art von
Selbst-Destruktion, für die echte Dylanisten ihren Meister umso mehr
lieben.
Dass der große (für viele der größte und
Nobelpreis-reife) Dichter ein noch größerer Schweiger ist, der sich
allenfalls zu einem "Hello" aufrafft und irgendwann die Namen seiner
Bandmitglieder unter der Krempe seines Stetson hervorkrächzt, das
weiß man. Dass die Wortkargheit nichts über die Stimmung besagt,
auch. Tatsächlich ist der 61-Jährige ausgesprochen gut aufgelegt.
Das zeigt sich an kleinen, für Dylans Verhältnisse expressiven
Bewegungen: ein Knieschwung, ein kleiner Seitschritt. . .
Wichtiger ist die knappe Bewegung der Hand.
Wenn Dylan im Verlaufe des knapp zweieinhalbstündigen Konzertes, bei
dem akustische und rockig verstärkte Songblöcke harmonisch
ineinander übergehen, zur Mundharmonika greift (was zu selten
geschieht) und kurz vier Finger hebt, dann weiß die Band, dass der
Song jetzt vier Takte länger dauert.
Überhaupt die exzellent eingespielte,
fantastisch improvisierende Band: Sie ist das Herz, der Motor. Davis
Kempner (Schlagzeug), Tony Garnier (E- und Kontrabass), die
Gitarristen Larry Campbell und Charlie Sexton geben den Ton an, die
Dynamik, sie sorgen für Country-Seligkeit, Hillbilly-Frohsinn,
Rock-a-Billy-Drive oder Heavy Metal-Feeling. Manchmal fragt man
sich, warum vor allem Charlie Sexton sich so zurücknimmt, warum alle
musikalische Entwicklung unweigerlich auf Dylan zuläuft, dessen
Gitarrenspiel auf Dauer doch etwas beschränkt, hingeschrummelt
wirkt. Doch das sind ketzerische Gedanken, auf die der wahre
Dylanfan nie käme. 28.04.2002 Von Wolfgang Platzeck |