Oberhausen (an-o). Da steht das Quintett nach einem
fulminanten Zwei-Stunden-Vortrag ungerührt-regungslos auf der
Bühne und lässt sich feiern: Bob Dylan hat sich einmal mehr
selbst inszeniert.
Das Idol der 60-er, der Star der 70-er, die Legende der
80-er, das Denkmal der 90-er hatte zurück gefunden zu dem, was
er einmal auch war: Sprachrohr einer Generation. Bei großen
Gestalten der Popmusik ist nicht nur wichtig wie sie spielen,
sondern auch was sie präsentieren.
Während etwa eine Größe wie Neil Young der neuen
patriotischen Volksfrömmigkeit in Gottes Land huldigt und die
Pathosformel "Let's roll" propagiert, kramt Dylan sein altes
Kampflied der Friedensbewegung "Masters of War" wieder raus:
"Come you masters of war - I can see through your masks". Die
Band legt einen dichten akustischen Klangteppich, auf dem
Dylan klagend-aggressiv und überpointierend den Text
ausbreitet: Der Rebellenruf der Gegenkultur hat sich in all
den Jahren doch noch nicht (ganz) verschliffen.
Wie neu erfunden
Überhaupt greift Dylan beim letzten Deutschland-Konzert
dieser "Love and Theft"-Tour auf viele Stücke der 60-er Jahre
zurück: "Desolation Row", den stark verrockten "Subterranean
Homesick Blues" oder, mit viel Druck und unglaublicher
Präsenz, auch "Leopard-Skin Pill-Box Hat". Und: Alle Songs
klingen, als seien sie gerade neu erfunden worden. Natürlich
nölt und nuschelt und grollert und stöckert Dylan mehr als
dass er sänge - aber gerade das macht Dylan zu Dylan
unverwechselbar. Skizzenhaft.
Dabei hat er mit den beiden Gitarristen Larry Campbell und
Charly Sexton, dem Baßisten Tony Garnier und dem Drummer
Recoli Musiker zur Seite, die bei den akustischen Stücken eine
feinfühlige Intimität entfalten und bei den Blues- und
Rocknummern eine pulsierende Kraft versprühen.
Als die Band als letztes Stück der Zugabe "Blowin' in the
Wind" - die alt verbindende und irgendwie alterslose Hymne -
von archaischer Kraft getragen anstimmt, öffnet sich auch
optisch auf der Bühne der Himmel: Das war der Bob Dylan, den
man sich erhofft hatte. Wenn auch - oder gerade weil? - die
Harmoniepassagen mächtig schräg daher kamen: Der Mann bleibt
ungreifbar. Dylan ist walisisch und heißt Meer.
Norbert
F. Schuldei